Löcher in den Käse

Guten Morgen liebe Leute,

Samsara ist ein treibendes, wirres, unseliges Spiel des Lebens, ein Laufrad in dem wir herumschleudern, gewirbelt, geröstet, getrieben und glühend und dabei doch oft, sogar oft dann wenn das Rad sich am schnellsten dreht, das Gefühl haben, alles wäre ruhig und normal. Samsara ist der fatale Kreislauf von Gefühlen, Gedanken, Energien und Täuschungen ineinander verwoben und abhängig, oft pilzartig wuchernd, die uns treiben und leiden lassen. Samsara versteckt sich nicht, sondern man erkennt es deshalb nur schwer, weil es überall ist. In jedem Hollywoodfilm spielt Samsara die Hauptrolle. Immer dann wenn jemand zu sehr etwas will, dann erstickt er entweder daran, oder wird anderswie nicht glücklich damit. Beispiel Lottogewinn: Jeder erwartet von einem Lottogewinn, dass er glücklich macht. Aber überrascht von Reichtum gibt es plötzlich Neider, Diebe, Gier nach noch mehr, Arroganz, Einsamkeit, wahre Freunde ziehen sich zurück, Schmeichler umgarnen etc. etc. Da zeigen sich die Gesichter von Samsara ganz deutlich. Oder Beispiel Drogen: auf Höhen des Rausches folgen die Tiefen des Katers und der Verwirrung und Schwermut, die man mit neuen Drogen dann wieder überwindet. Oder wir glauben stoned besonders gut durch zu blicken, und dann reden wir uns ein, dass wir ohne Drogen nicht mehr durch blicken können.
Samsara heißt wörtlich: beständiges Wandern. Wir fühlen uns ständig getrieben. Das merken wir aber erst, wenn wir zum Beispiel mit Meditation einmal versuchen still zu halten. Auf ursprüngliche, wahre, tiefe Liebe folgt Sehnsucht, auf Sehnsucht folgen Hoffnungen, auf Hoffnungen folgen Täuschungen, auf Täuschungen folgen Verletzungen, auf Verletzungen folgt Wut, auf Wut folgt Totschlag, auf Totschlag folgt Gefängnis etc. etc. Samsara ist klebrig, zäh und überaus produktiv. Manche Versuche Samsara zu überwinden führen nur noch tiefer hinein. Man braucht Hilfe, um sich davon zu befreien so überwältigend ist es.

Manche Forscher mit christlichem oder muslimischem Hintergrund freuen sich, dass sie im Buddhismus den Teufel entdeckt haben, nämlich dass Samsara nichts anderes als der Teufel sei. Endlich bekommt man in dieser ungreifbaren Religion, einmal etwas zu fassen! Es macht aber aus buddhistischer Sicht wenig Sinn, Samsara zu verurteilen oder zu dämonisieren, denn verurteilen und dämonisieren sind in sich selbst die Spielarten von Samsara. Wie also dann?

Regelmäßige Meditation erzwingt immer wieder kleine Pausen, Löcher, ins dichte Gewebe von Samsara. Deshalb nannte Trungpa Rinpoche die Meditation ab und zu die Schweizer-Käse-Methode, weil sie nämlich Löcher in den Käse von Samsara schießt. So kann man beginnen Samsara ganz allmählich zu durchschauen, und sich dann immer wieder neu und frisch davon abzuwenden. Vorwürfe dafür, wie tief man erst gestern wieder in Samsara versunken war, sind die Methode von Samsara selbst. Auch nach sicheren oder endgültigen Mitteln oder Techniken zu suchen ist Samsara selbst. Nein, um gegen Samsara anzutreten, heißt es erst einmal sich locker zu machen. So wie sich ein Seiltänzer vor jedem Auftritt erneut locker macht.

Ciao ciao
Euer Winni Quijote