Was ist Mantra?“
„In dem Sumpf Samsara, der aus Wörtern und Worten besteht,
ist Mantra der Haarschopf an dem wir uns selbst herausziehen und befreien können.“
Guten Morgen, liebe Leute!
Wenn wir etwas begreifen wollen, sind immer Worte im Spiel. Wenn wir jemandem eine Zahncreme empfehlen, genauso, wie wenn wir uns Buddha Amitabha, den Buddha, der Liebe ist, vergegenwärtigen wollen. Wir benutzen den Namen „Amitabha“ und berühren damit ein komplexes Universum, nur mit diesem einen Wort: Amitabha. Wenn wir das Wort „Liebe“ benutzen würden, dann berührten wir nur einen Teil dieses Universums – sozusagen einen philosophischen Teil. Dieser philosophische Teil ist von dem gesamten Universum „Amitabha“ nicht zu trennen, ist aber eben nur ein kleiner Teil davon.
Dieser Name – Amitabha – hat eine Bedeutung. Er setzt sich aus „unermesslich“ und „Licht“ zusammen – weitere Bausteine dieses Universums.
Buddha Amitabha hat Formen. Seine typische Farbe ist rot. Sein Gesichtsausdruck ist harmonisch, rund, freundlich, sanft und geprägt von einem Lächeln. Da findet man Züge von Jugend und Reife zugleich. Auf der Stirn – am dritten Auge – trägt er gerne einen Punkt oder ein Flämmchen. Die unter den fließenden Mönchsgewändern angedeuteten Brüste und Taille sind von weiblicher Eleganz, auch wenn seine Erscheinung würdevoll männlich ist. Wenn er sitzend dargestellt wird, hat er die Beine im Lotussitz verschränkt und die Hände mit den Handflächen nach oben übereinander liegend, etwas unterhalb der Höhe des Nabels in der Geste der Meditation. Es gibt auch immer etwas Grünes in seiner Nähe, und auch Gold gehört zu ihm. Das sind Merkmale vieler seiner unterschiedlichen äußeren Erscheinungen. So können wir ihn uns vorstellen.
Amitabha ist sein Rufname. Jemandes Namen zu kennen, verbindet und schafft Vertrauen. Wie wenn wir einen neuen Nachbarn einige Male gesehen haben und er auf ein leicht angedeutetes Nicken zurück genickt hat und er dann bei nächster Gelegenheit auf ein angedeutetes Winken zurückwinkt, und wir gehen den nächsten Schritt, indem wir uns vorstellen und unseren Namen nennen. Er erwidert seinen Namen. Namen werden ausgetauscht und vielleicht wird dabei die Herkunft des Familiennamens oder die Bedeutung des Vornamens kurz diskutiert. Wenn man von jetzt an mit dem Rücken zu diesem Nachbarn steht, dann kann er einfach unseren Namen rufen, und wir wissen, dass er unsere Aufmerksamkeit sucht. Dann müssen wir uns umdrehen und uns ihm zuwenden. Man bekommt also auch ein wenig Macht über den anderen, indem man seinen Namen kennt.
Worte bestehen aus Tönen, Schwingungen, die durch das Zusammenspiel von Stimmband, Gurgel, Mundinnenraum, Zunge, Nase, Zähnen, Lippen und Luft entstehen. Da gibt es Klang, den man auf „a“ zurückführen kann. Diesen a-Klang kann man modellieren in Richtung „i“ und in Richtung „o“. In diese beiden Richtungen gibt es theoretisch unendlich viele Zwischentöne, zum Beispiel „e“ „ä“ oder „au“ „u“ und so weiter. Ein anderer wichtiger Teil beim erzeugen des Tons ist, wie man mit der eingeatmeten Luft umgeht. Stößt, zischt, rollt oder nasaliert man, mit viel Druck oder wenig und so weiter. Eine Möglichkeit und ein wichtiges Element kann es sein, es im Brustkorb mitschwingen, brummen zu lassen. Man kann sogar das außerhalb von uns selbst mit brummen lassen. Sie kennen das vielleicht, wenn sie auf der Gitarre eine Saite genau in dem Ton schwingen lassen, in dem eine andere Saite der Gittare gestimmt ist, dann schwingt die andere Saite mit, ohne gezupft worden zu sein. Wir denken nur an alle die frei schwingenden Saiten einer Sitar. Dort geschieht dieses Mitschwingen ständig. Das sind einige der äußeren Dimensionen von Wörtern.
Unter den Worten gibt es Mantras, Zauberworte, die die besondere Kraft und Aufgabe haben, Werkzeuge auf dem Weg zur Erkenntnis zu sein – Werkzeuge zur Arbeit mit dem Geist. Es ist hilfreich, zwischen äußeren, inneren und geheimen Aspekten der Mantras zu unterscheiden.
Aber zunächst einmal zu den Umständen. – Man geht zu einem erfahrenen, autorisierten Lehrer einer Tradition, zu dem man Vertrauen hat und zu dem man sich persönlich hingezogen fühlt und lässt sich mit – zum Beispiel – Buddha Amitabha bekanntmachen und in Verbindung setzen. Der Lehrer stellt einem Amitabha quasi vor, so wie man einem Nachbarn vorgestellt wird: „Darf ich Ihnen Herrn Maier vorstellen, Ihren neuen Nachbarn. Er ist von Beruf Schneider, er wohnt da und da….“ und so weiter. Es werden also auch gleich ein paar Charakteristika genannt, ein paar vertrauensbildende Hintergründe und Geheimnisse dieses Nachbarn. Beim Buddha Amitabha würde der Lehrer wahrscheinlich empfehlen, wenigstens die beiden wichtigsten Texte – die Sukhavati-Sutras – ab und zu zu lesen und zusätzlich, was an Kommentaren dazu zu finden ist. So machen wir uns mit dem Buddha der Liebe und seiner Welt vertraut. Dieser Lehrer – der Vertraute des Buddha Amitabha – unterrichtet uns außerdem zur Aussprache und Bedeutung eines Mantras, das oft die Form einer Anrufung hat: Namo Amitabhaya Hri – Verehrung dem Amitabha Hri!
Nun ist es aber hilfreich, sich zusätzlich mit der Welt der Mantras im Allgemeinen etwas vertraut zu machen.
Dazu würde ich zuerst einmal das intonieren eines Mantras in den verschiedenen Chakras – das sind unsere Energiebereiche – ausprobieren. Nehmen Sie doch das aus Funk und Fernsehen berühmte Mantra: „Ohm“. Wir intonieren also laut „Ohhhmmmm“. Das schwingt jetzt erst einmal im Mundbereich und automatisch schwingen Hals und Kopf etwas mit.
Wir intonieren also dieses „Ohhhhmmmm“ und lassen es laut erklingen und dann allmählich über die Länge eines Ausatmens verklingen. Und dann noch einmal. Im nächsten Schritt stellen wir uns vor, dieses Ohm klingt in der oberen Hälfte unseres Kopfes. Sie werden sehen, dass es ganz einfach ist. Sie beginnen wie vorher, lassen das Mantra jetzt aber in den Kopf hoch steigen. Wir lassen das Ohm in unserem Kopf-Chakra klingen: Ohhhhmmmmm…
Das wiederholen wir jetzt mehrmals und lassen es dabei nach außen hin immer leiser werden, während es aber in unserem Kopf-Chakra weiter schwingt, bis schließlich akustisch gar nichts mehr zu hören ist, wir aber innerlich das Ohm immer wieder über die Länge eines Ausatmens weiter wiederholen und zwar oben im Kopf. Das können Sie ruhig einmal ein paar Minuten machen. Das schadet nicht und ist ungefährlich, solange Sie den Atem dabei nicht unnatürlich forcieren oder beruhigen. Diese kleine Übung ist einfach aber wichtig, um zu verstehen, worum es bei „innerlichem Mantra“ geht.
Sie könnten nach einer Pause, dasselbe Mantra Ohm so auch in ihrem Hals-Chakra erklingen und schwingen lassen, aber für das Hals-Chakra eignet sich das Mantra „Ah“ besser, und dann für das Herz-Chakra das berühmte „Hung“.
Jetzt werden Sie sich fragen: „Was geschieht denn da nun, wenn ich das ‚Hung‘ in meinem Herzen schwingen lasse?
Zuallererst werden wir uns so des Herz-Chakras überhaupt erst einmal bewusst. Gerade in dieser Zeit der Überflutung von optischen und akustischen Eindrücken, die alle über unseren Kopf ablaufen, verlieren wir immer mehr das Gefühl für unsere anderen Chakras. Aber wir sind nicht nur Kopf, sondern wir sind auch Hals, Herz, Bauch und Schoß, und dazu noch die Welt, die uns umgibt, und wir können lernen, das alles quasi immer wieder frisch zu entdecken und zu erspüren. Außerdem können wir so die Chakras ausdehnen. Sie können über den Körper hinaus wachsen, so wie Wolken die allmählich immer größer und weiter werden. Wenn man die Übungen häufiger wiederholt, lernt man diese Ausdehnungen mehr und mehr zuzulassen. Das sollte sehr erleichternd und angenehm sein. Man öffnet die Chakras und dehnt sie aus, und damit natürlich auch sich selber, denn diese Chakras, das sind wir.
Hier sei im Moment nur kurz erwähnt, dass auch die Mantras Ohm, Ah und Hung – die reine Klänge sind – Bedeutungen haben.
Zum Beispiel steht Ohm unter Anderem für universelles Bewusstsein,
Ah unter Anderem für Kommunikation und Gestaltung und
Hung unter Anderem für individuelles Bewusstsein.
Die geheimen Ebenen der Mantras kann man natürlich nicht durch einen Text alleine wirklich vermitteln, denn sie erschließen sich nur durch persönliche Begegnungen mit Trägern der Überlieferungen. Das möchte ich mit folgendem Beispiel erklären.
Sie kennen das bestimmt, dass Ihnen die Leute von jemandem erzählen. Ein neuer Mensch ist in die Stadt gekommen, und alle reden davon. Anhand der Erzählungen wächst Ihr Bild von dieser Person. Das, was Sie hören, verbinden Sie mit dem, was Sie bereits kennen, und zwar unter den Einflüssen von Ihren Ängsten, Hoffnungen und von Bequemlichkeit und Verdrängungen. So wächst ein Bild, das sie aufgrund neuer Erzählungen immer wieder überarbeiten und vertiefen. Das kann sehr weit gehen. Sie könnten sich zum Beispiel alleine aufgrund der Erzählungen verlieben. Eine weiterer Annäherung wäre, die Person dann erstmalig aus der Ferne zu sehen. Wenn Sie dann aber endlich einmal direkt und persönlich auf diese Person treffen, werden sie erstaunt sein, wie anders sie ist. Natürlich spielen auch in eine direkte Begegnung, Hoffnung, Furcht und Bequemlichkeit mit hinein, aber dennoch beginnen das einander Erkennen und die Verbindung auf einer ganz anderen Ebene, die nur bei persönlichem Kontakt möglich werden. Und wir entdecken oft, dass die Person die in unseren Vorstellungen gewachsen war, dann in Wirklichkeit verblüffend anders – ja sogar total anders – sein kann.
Mit Buddha Amitabha wird man im Idealfall in einer Zeremonie – einer Messe – bekannt gemacht.
Zu Beginn einer solchen Einweihungs-Zeremonie wird erst einmal der Ort, an dem die Begegnung stattfinden soll, geordnet, gereinigt und geschmückt. Man räumt auf, errichtet einen Schrein, und man kann dann allen Kräften, die möglicherweise stören könnten, zum Beispiel Dämonen, Unruhestiftern, beleidigten lokalen Geister und schwarzen Löchern einen festen Platz zuweisen, sodass sie für den Moment gezähmt sind. Und andererseits kann man Göttinnen, Götter, Beschützerinnen und Beschützer einladen und ihnen ebenfalls schöne Plätze zuweisen und etwas Nettes für sie singen.
Gar nicht zu überschätzen sind diese Art von Opfern, also etwas zu singen, zu rezitieren oder symbolisch Opfer zu bringen, Bilder und Gemälde oder auch ganz konkret schöne Dinge, wie zum Beispiel Früchte, Nüsse, Speisen, Laub, Edelsteine und so weiter aufzustellen, innerlich loszulassen und zu verschenken und dann später auch wirklich weg zu geben, zum Beispiel in den Wald zu tragen. Solche Opferhandlungen sind immer tiefer als wir denken, sogar wenn wir sie ab und zu ganz mechanisch vollziehen, weil wir uns daran gewöhnt haben.
Nun öffnet man den Schrein und lädt Buddha Amitabha mit feierlichen Rezitationen, vielleicht auch Musik, Gesängen und Tänzen ein. Solche „Einweihungen“ können Tage dauern manchmal aber auch nur zwei oder drei Stunden. Im Rahmen der Einweihung rezitieren alle Anwesenden dann unter anderem das Mantra des Buddha Amitabha viele Male, und das so gemeinsam gesprochene, gebrummte, gespürte und erfahrene Mantra kann dann eine bleibende Wirkung hinterlassen. In Zukunft kann das Hersagen des Mantras leichter jederzeit und überall helfen, Buddha Amitabha wieder zu begegnen. Übrigens auch dann, wenn man bei der Einweihung gar nicht das Gefühl hatte, Amitabha besonders nahe gekommen zu sein. Mit Hilfe des Mantras kann man die Begegnung nun jederzeit aufarbeiten und weiter vertiefen. Es ist außerdem gut, auch die Messe in kürzeren oder längeren Variationen immer wieder zu wiederholen. Aber jedenfalls hat man, wo auch immer man gerade ist die Kurzanrufung, das Mantra: Namo Amitabhaya Hri
Man kann den Buddha Amitabha auch ohne jede Einweihung jederzeit mehr oder weniger erfolgreich anrufen und begegnen. Aber so eine Einweihung ist enorm hilfreich, eigentlich gar nicht zu überschätzen hilfreich! Übrigens kennt man in den verschiedenen Traditionen, in denen Amitabha lebt, oft unterschiedliche Mantras. Es gibt nicht nur das eine richtige Mantra, um Buddha Amitabha anzurufen.
In manchen japanischen Traditionen des Buddha Amitabha pflegt man die Meinung, dass es ausreichen würde, ein einziges Mal das Mantra richtig, also aus tiefster Innerlichkeit heraus und in Harmonie mit dem Universum, erklingen zu lassen, um Erleuchtung und Befreiung vom Leiden zu erlangen, auch ganz ohne jede Einweihung oder persönlicher Begegnung.
Wie auch immer:
Namo Amitabhaya Hri, und Namu Amidha Butsu
und
Ciao ciao
Euer Winni Quijote