Fuzzy

Guten Morgen liebe Leute!

Ich begegnete Fuzzy erstmalig im Amirkabir, dem Hippie-Hotel in Teheran. Er war über dreißig und man nannte ihn Fuzzy weil er stark an einen kauzigen Kerl in den Hollywood-Western der Dreißiger erinnerte. Er war ein Giftzwerg mit Haaren bis zum Hintern. Er hatte etwas Fuchsiges an sich, ein Deutscher aus dem Norden, immer in schwarzer Winter-Cordhose breit gerippt – wohl gemerkt bei oft über fünfzig Grad Celsius – und in einem schwarzen Hemd, bunt bestickt. Er trug ein Lederband verspielt, mit billigen Holzstücken und Perlen daran als Kette um den Hals. Wenn wir Grenzen überquerten, versteckte er in dieser Kette seine Opiumstücke, egal ob schwarzes Rohopium oder dunkelbraunes, gereinigtes aus deutschen Militärbeständen. Sie fielen zwischen Holzstücken und Perlen nicht weiter auf. Er trug eine dicke Badehose, aus sogar noch dickerem Material als das seiner Cordhose, ebenfalls mit Struktur, ähnlich der einer Raufasertapete, in einem undefinierbaren beige-grau. Das Ding war mindestens zehn Jahre alt und hatte ganz sicher schon einiges gesehen und erlebt. Man trug solche Badehosen in den Sechzigern, vielleicht, weil sie nicht so abzeichneten. Ihr großer Nachteil war, dass sie nach dem Schwimmen nur sehr langsam trockneten und deshalb Nieren- oder Blasenentzündungen verursachen konnten. Fuzzy besaß nur diese eine „Unterhose“, seine Cordhose, die Hippie-Hemden zum Wechseln und ein paar Tücher und darüber hinaus noch ein paar Kleinigkeiten sowie Haarbürste, Rasierer und Fixerbesteck. Unterwegs trug er seine Habseligkeiten in ein Schaffell gewickelt auf dem Rücken, von einer Schnur zusammengehalten, die vorne quer über der Brust lag.
Sein weltlicher Name war Wolfgang Schwarz. – Ein Wolfgang mit Schaffell. – Ich versichere, dass ich diesen Namen nicht erfunden habe.
Wenn Leute heutzutage Geschichten über den Hippie-Trail nach Asien lesen, könnten sie leicht auf die Idee kommen, dass die meisten der Reisenden sich für andere Kulturen, Pilgerschaft, Literatur oder Religionen interessierten. Tatsächlich aber waren Mystiker eher sogar verpönt. Erst wenn man es bis nach Indien geschafft hatte, dann begegnete man wirklich Völkerkundlern, Künstlern und Suchenden. Wenn man Indien erreicht hatte, war man angekommen, aber höchstens ein Drittel der Hippies die in den Siebzigern nach Asien zogen, sind weiter als bis Afghanistan gekommen.
Die meisten Westler, die über die Türkei und Persien nach Afghanistan unterwegs waren, benahmen sich wie auf einem großen Festival, so wie Woodstock voller Freiheit, Drogen, Liebe und Rock ‘n Roll. Unter diesen Leuten waren auch einige brutale und fiese Typen, die nichts zu verlieren hatten, oft auf der Flucht vor der Polizei oder auch den Geheimdiensten. Und es gab viele, viele blutjunge Ausreißer und Ausreißerinnen.
Ich war mit Fuzzy einmal mehr in Herat, Afghanistan, diese Mal in einem dreistöckigen Luxus-Holzhaus auf der Hauptstraße – wir waren nur auf der Durchreise –, das seit kurzem an Hippies vermietet wurde. Das Haus war wirklich ganz aus Holz zusammengezimmert. Wir wohnten im ersten Stock und alle Zimmer gingen auf einen großen gemeinsamen Balkon, zur Hauptstraße hin, auf der nur ab und zu ein Lastwagen oder Bus vorbeifuhr. Ich war inzwischen mit Land und Leuten gut vertraut. Ich verstand mich als Pilger und hielt mich meistens von den Plätzen fern, an denen viele Hippies zusammenhausten, aber das ließ sich natürlich nicht immer vermeiden. Fuzzy ging unter diesen reinen Konsumenten und Vergnügunssüchtigen viel mehr auf. Er musste ja auch Kontakte knüpfen, um Geschäfte machen zu können. Er verkaufte sich sehr geschickt und erfolgreich, übrigens auch an die Einheimischen. Er war ein gerissener kleiner Charmeur und Betrüger.
Ich hatte in Deutschland an meine erste richtige Freundin mein Herz verloren und war noch nicht soweit, mich wieder für Frauen zu interessieren. Meinen Schmerz tat ich damals gerne mit einem gewissen Zynismus ab, indem ich erklärte, dass ich meine silberne Taschenuhr bei mir trüge, um mir in Afghanistan eine Frau zu kaufen. Ich muss meine empörte Leserschaft an dieser Stelle daran erinnern, dass ich gerade zweiundzwanzig Jahre alt geworden war, also eigentlich noch ein Kind!
So albern diese Geschichte mit der Uhr war: eines Morgens so gegen zehn Uhr stellte ich fest: „Jemand hat meine Uhr gestohlen!“ Nun lebten auf dieser ersten Etage mindestens zehn Hippies, hauptsächlich männlich, und viele davon verwegene und undurchschaubare Burschen. Ich rief also durch die Etage: „Jemand hat meine Uhr gestohlen!“ und wirklich – nur wenige Sekunden später – rief Fuzzy von nebenan:

“Meine Unterhose ist auch weg!“ ! ? ? ? ? !
Das war ein wirklich wacher Augenblick.

Das nenne ich Spontanität!

Ich glaube, über diese unglaubliche Reaktion von Fuzzy hatte ich den Schmerz über den Verlust meiner Uhr dann schon fast vergessen.

Der Kerl war einfach bewundernswert!
Was hatte Fuzzy‘s uralte, ausgeleierte Unterhose mit meiner Taschenuhr zu tun?!
Wenn es um die Verurteilung von Diebstahl ging, dann hielten wir Reisenden uns sehr zurück. Man musste wissen, dass geklaut wurde und also auf seine Sachen aufpassen. Ein Beklauter hatte nicht aufgepasst und damit Pech gehabt. Mir bedeutete diese Uhr auch nicht viel, obwohl sie natürlich einen großen Geldwert hatte – circa drei Monatsgehälter eines arbeitenden Afghanis. Ich war nicht besonders betroffen, und sagte auch weiter nichts zu dem Vorfall, sondern lief stattdessen – entspannt suchend – durch alle Zimmer – es waren fünf oder sechs –, und das wurde geduldet. Aber die Uhr blieb unauffindbar und auch Fuzzy‘s Unterhose ward nie wieder gesehen.
Fuzzy‘s mächtigste Waffe war sein Charme. Er hatte eine sehr starke Ausstrahlung, die ihn wie einen Mantel umhüllte. Ich habe später oft vergeblich versucht, mich an sein Aussehen zu erinnern. Er steckte in einem Energiefeld, durch das ich nur für Momente einmal hindurchschauen konnte. Ich glaube für Sekunden habe ich ihn ab und zu gesehen, einen pickeligen, blassen und wunden Menschen, verborgen hinter Schalk, Spitzbübigkeit und ansonsten einem hypnotischen Schleier. Er war sehr geschickt und berechnend und so trat er nach allen Hochs und Tiefs irgendwann immer wieder strahlend und kraftvoll zurück auf die Bühne.
Ich gab die Suche nach meiner Uhr und Fuzzy‘s Unterhose sehr bald auf, denn es bahnte sich ein Palaver an. Dieses Hotel war ein „Luxushotel“, komplett aus Holz gebaut, solche Häuser findet man in Afghanistan wirklich nur selten, und für jeden Gast gab es einen hölzernen Stuhl. Stühle fand man eher selten in Asien, man saß meistens auf Teppichen, und die lagen oft auf Podesten aus Lehm, und außerdem können alle Asiaten stundenlang in der Hocke verbringen, wobei sie den Boden nur mit den Füßen berühren. Hier im Hotel gab es aber Stühle. Wir waren circa zehn Personen und unter ihnen gab es nur ein Mädchen, Gaby, deutsch, circa achtzehn Jahre alt, sehr hübsch, lustig und selbstbewusst. In dieser Gruppe waren alle, außer mir und Gaby, von Kopf bis Fuß auf Drogen eingestellt. Wenn man sich tagein tagaus mit Drogen beschäftigt – Konsum, Handel und Verarbeitung –, dann merkt man gar nicht mehr, wie sehr sie den Alltag bestimmen und dominieren. Wohl gemerkt es geht nicht um Rausch und seine vielen Facetten sondern um die Drogen, die man dafür braucht.
Wir Männer bildeten im größten der Zimmer auf unseren Stühlen einen engen Kreis, und es begann eine Unterhaltung. Das klassische Drogenpalaver, meistens unglaublich langweilig. Da protzte kaum dass wir saßen ein großer und starker, tätowierter Ire, muskulös, selbstgefällig und voller krimineller Energie los. Gaby kam jetzt auch dazu. Sie hatte sich auch einen Stuhl geholt, aber der Stuhlkreis war eng und ließ keinen Raum für sie. Sie saß also äußerst frustriert in der zweiten Reihe. Ausgeschlossen aus der Runde! Und zwar absichtlich, denn das hier war keine Frauensache. Der Ire sagte gerade: „You rather push little things.“ Und schon alleine, dass er hemmungslos das Wort „push“ benutze war eine Provokation. „Es empfiehlt sich, kleine Dinge zu vertreiben“, könnte man den Satz übersetzen – also das sollte bedeuten man handelt besser mit Heroin und Kokain als mit Marihuana oder Haschisch – Aber das Wort „push“ zu benutzen war in diesem Zusammenhang seit dem berühmten Song von Steppenwolf „The Pusher“ krass. In dem Song von Steppenwolf wird unterschieden zwischen dem „Dealer“ – einem Händler von leichten Drogen – und dem „Pusher“, der mit harten Drogen, so wie Heroin handelt und der in diesem Song als herzloses, gnadenloses Monster beschrieben wird. Der Ire war selber kein Junky und auch unter den anderen konnte ich keine ausmachen, außer Fuzzy natürlich. Das waren alles eher Kokser und Kiffer, die aber gerne als knallharte Geschäftsleute gesehen werden wollten. Mit seinen Reden demonstrierte der Ire dass er sich auskannte, ein Insider war, und hart und stark und einige von uns stimmten ihm kleinlaut zu. Gaby hätte merken sollen, dass es nicht erstrebenswert war, in dieser Runde zu sitzen. Auch Fuzzy und ich hätten uns gerne verdrückt. Aber für Gaby ging es um die Ehre. Und so geschah dann etwas Seltsames, Magisches. Der Holzfußboden des Zimmers begann leicht zu vibrieren und dann immer mehr. Ich verstand das zuerst nicht. Endlich schaute ich rechts herüber, und da sah ich, wie sich vor Gaby der Kreis auf magische Weise öffnete. Das Geräusch von zehn Stühlen, die in winzigen Wackelbewegungen zum Schwingen gebracht wurden, also Holz auf Holz, das war Voodoo! Ich schaute genauer hin und erkannte, dass Gaby, die nur einen BH trug, das rechte Körbchen ihres BHs hochgezogen hatte, so dass es jetzt oben über ihrer strahlenden, rechten, unglaublich festen apfelsinengroßen Brust auflag. – Glorios! – Diese Pracht wurde von einem kecken, etwas blassen aber äußerst lebendigen und verspielten Nippel gekrönt, der stark an eine Rosenknospe erinnerte, die jeden Moment aufspringen konnte. Umwerfend! Der Stuhlkreis bebte. Er bebte solange, bis genug Platz für Gaby und ihren Stuhl entstanden war, und Gaby hatte genug Humor, dann ebenfalls auch rhythmisch und vibrierend mit ihrem Stuhl wackelnd in den Kreis einzudringen.

Puh! Ich wische mir jetzt gerade einmal den Schweiß von der Stirn.

Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, wie die Konversation dann weiterging und wer was stotterte, bei allen Versuchen cool zu bleiben. Vielleicht habe ich sogar damals auch das Wort erhoben, nachdem ich meinen Hals frei geräuspert hatte – wenn es eng wurde konnte ich auch ganz schön loslegen – ich kann mich aber nicht mehr erinnern. Ich war leicht geblendet, dass weiß ich noch genau. Fuzzy grinste mit Sicherheit. Er hatte immer Spaß daran mich hilflos zu sehen! Der liebe alte Kerl! Wo er wohl stecken mag? Seinen JunkyHimmel hat er mir einmal mit Bleistift auf ein schmuddeliges Blatt Papier gemalt…………….äußerst schizophren aber nicht ganz ohne Aha…….

Ciao ciao
Euer Winni Quijote