Guten Morgen liebe Leute!
Heutzutage schaffen Leute es Meditation wie ein Medikament ohne Nebenwirkungen aussehen zu lassen. Fragen Sie aber unbedingt erst ihren Arzt oder Apotheker! Man setzt sich in Meditationshose auf sein Meditationskissen, eine Kerze, denn auch dafür gibt es eine ganz vernünftige, statistisch geprüfte Erklärung(!), und dann zählt man seinen Atem, immer bis 10, denn wir leben ja schließlich in einer dezimalen Welt. Die Briten zählen natürlich bis Zwölf. Vornehme Leute haben sogar eine Meditationsuhr, die Beginn und Ende signalisiert. Andere schauen einfach auf die Armbanduhr, bis die halbe Stunde rum ist. Besonders narzisstische Weicheier messen anschließend auch noch ihren Puls. Dann geht man auf den Balkon und macht seine Atemübungen an der frischen Luft. Aber Vorsicht! Die Drüsen nicht zu stark stimulieren, vorher Nichts trinken usw usw usw. Ich kann diesen Zirkus verstehen. Unser Geist lässt sich nicht gerne therapieren und windet und bäumt sich dagegen auf mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, so wie ein wildes Pferd das dressiert werden soll. Da sind dann Uhren, Kissen, Zahlen und Regeln, das Zaumzeug, die Steigbügel und die Zügel.
In den Siebzigern haben wir Hippies das noch anders gemacht. Wir sind einfach nackt auf den Gaul gesprungen, haben versucht uns im Schweif zu verkrallen – oben bleiben ist Alles, war die Devise – und los ging der wilde Ritt. Ich habe mit Sechzehn damit begonnen. Ich hatte Siddhartha von Hermann Hesse gelesen, und da hörte es sich verhältnismäßig einfach an viele Stunden einfach still da zu sitzen. Dann kam ein Buch von Suzuki Roshi dazu „Der Weg der Befreiung“ und der betonte noch einmal mehr, was für ein günstiger Umstand es sei, gar nicht zu wissen, warum man meditiert, also ganz ohne Erwartungen einfach nur da zu sitzen und seinem so überraschend ausgebremsten Geist, in seiner Nacktheit direkt zu begegnen und sich möglicherweise sogar damit anzufreunden. Ich schaffte das selten länger als eine halbe Stunde, dann lag ich im Graben und leckte meine Wunden. Eine überwältigende Unruhe riss mich irgendwann einfach mit und auf und davon. Mit 23 hatte ich überhaupt erst meine erste leibliche Meditationslehrerin. Sie war Hinduistin mit großer Erfahrung, Sister Mohini, und die gab mir brauchbares Zaumzeug in die Hand. Ich danke der Schwester sehr, wollte aber trotzdem die Zeit davor im zügellosen Sturm und Drang und in Ungewissheit auch nicht missen.
Einmal in dieser Zeit in der ich noch aus den Büchern lebte, in der Nähe von Boudhanath in Nepal, ich wohnte zwischen schmucklosen vier Wänden ganz nahe bei der Stupa mit ihren großen aufgemalten bunten Augen und Brauen, ging ich raus ins Freie und auf die Suche nach einem geeigneten Platz für ungestörte Meditation. Lange, ausgedehnt und tief, das war der Plan. Aber es war gar nicht so leicht, einen geeigneten Platz zu finden. Unter dem einen Baum schien es mir zu ungeschützt, unter den Anderen störten Getier, Gerüche oder die Glut der Sonne. Gar nicht so einfach also.
Aber schließlich war da ein toller Platz. Man muss dazu wissen, dass sich die Landschaft hinter der Stupa in Terrassen langsam erhebt. Dadurch gibt es lang gezogene Bodenwellen von ca. 1,50 Meter Höhe, die sich hunderte von Metern hinziehen. Es gab viele Sträucher und kleinere oder größere Bäume, dazwischen Flächen mit spärlich Gras und kleinen zähen Pflänzchen. Aber hier, direkt vor meiner Nase, direkt am Hang der Bodenwelle, also wäre man hier von hinten gut geschützt, war eine ganz saubere, blanke, glatte Stelle, genau so wie zwanzig Meter weiter auch wieder. Ich machte mir keine Gedanken darüber, warum es so blank und rein war. Es schien mir einfach ideal. Ich setzte mich im Lotus auf meine Decke, schaute über die weite Landschaft vor mir und unter mir. In der Ferne die lächelnden Augen der Stupa. Jetzt konnte es los gehen. Hier konnte man doch für immer sitzen. Zufriedenheit und Wohlbefinden breiteten sich aus. Das war herrlich.
Nach ein paar Minuten näherte sich ein stampfendes Geräusch. Es kam immer näher wurde lauter: traptrap traptrap traptrap und tschschschhhhh und pautz und dann wieder traptrap traptrap traptrap und das entfernte sich dann wieder. Der aufmerksame Leser wird sich denken, dass das nur ein Reiter gewesen sein konnte, und so war es auch. An der Stelle 20 Meter weiter, an der es genau so glatt war, wie da wo ich saß, war ein Reiter mit Schwung von oben auf die untere Bodenwelle gesprungen und im Galopp weiter geritten. Der Reiter war gesprungen und die Hufe seines Pferdes genau da durch die Luft geflogen, wo mein Kopf war, glücklicher Weise zwanzig Meter weiter. Von oben hatte der Reiter natürlich nicht sehen können, ob direkt unterhalb der Bodenwelle jemand saß. Nur ein Idiot würde sich ja mitten auf eine PferdeAutobahn setzen!!!
Vielen Dank meine geliebten Schutzengel, und insbesondere dir, verehrte Yül-lah, die du oben auf auf meinem Kopf sitzt und dich um Alles kümmerst, was mit Örtlichkeiten zu tun hat. Ein herzliches Dankeschön, einmal mehr!
Ciao ciao
Euer Winni Quijote