Guten Morgen liebe Leute!
Vor einigen Jahren entfernten sich meine Kinder zusehends von Shambhala, bis dahin ganz selbstverständlich unser gemeinsamer religiöser und kultureller Hintergrund mit dem wir herangewachsen waren. Daraufhin habe ich folgenden Brief an sie verfasst:
Jetzt passt mal auf, Jungs!
Bei der Vorstellung einer erleuchteten Gesellschaft denkt ihr wahrscheinlich an eine Gesellschaft in der alle Menschen einigermaßen glücklich sind, und jeden neuen Tag frisch und froh und voller Lebensfreude beginnen. Vielleicht verbindet ihr auch damit, dass man die Kinder gut, liebevoll und geschickt erzieht, oder aber ihr seht einfach hunderte von Menschen gemeinsam still meditieren. Wir stellen uns Ärzte vor, die aus Freude am Heilen und Helfen handeln und jeden einzelnen Patienten immer wieder wach, interessiert und hilfsbereit anschauen. Geistliche, Richter und Volksvertreter mit Humor, die täglich aufrichtig Religion praktizieren, ihr Herz öffnen, Lieder singen oder heilige Texte rezitieren, und so weiter. In so einer Gesellschaft, in der die Menschen aufrecht und ehrlich sind, weht aber ein scharfer Wind! Versicherungen und Bürokratie sind verpönt. Dafür gibt es Disziplin. Disziplin macht nicht nur Freude, sondern Disziplin ist in sich selbst Freude. Nicht Seligkeit – das ist viel zu himmlisch – sondern erdige, frische, einfache Freude und Vergnügen. Wie wenn man schon im Frühsommer im noch einigermaßen kalten Meer schwimmt. Stellt euch vor, wir schwimmen gemeinsam in den Wellen herum, das kalte Wasser brennt die ersten paar Minuten auf der Haut. Schließlich haben wir uns daran gewöhnt, und wir lachen und schreien glücklich herum. Shambhala Krieger und Kriegerinnen führen ein einfaches Leben, hoffen nicht auf das große Glück, den Lottogewinn, und fürchten weder Tod noch Teufel. Was sie verbindet ist die Freude an Meditation und die Liebe und Loyalität zum Sakyong und der Sakyong Wangmo und dem Land Shambhala, und sie lachen und tanzen gerne.
Euch beiden empfehle ich ja nur, wenigstens jeden Tag eine halbe Stunde zu meditieren, aber vollblütige Shambhala-Krieger sitzen und üben sogar noch viel mehr. Erleuchtete Gesellschaft geht nur, wenn wenigstens der größte Teil der Kriegerinnen und Krieger mehr tun und sich ständig und immer wieder an die Segnungen der Buddhas und Bodhisattvas erinnern. Das kann man auch, indem man immer wieder durch bestimmte Mantras, so wie das berühmte OM MANI PADME HUM sein Mitgefühl entzündet oder auch einfach an dem Satz: „Mögen alle Wesen glücklich sein.“ Zur Unterstützung bei solchen Rezitationen, die man laufend wiederholt, tragen viele Buddhisten ihre Malas mit sich herum. So wie ich ja auch oft. Man kann als Shambhalianer natürlich auch einfach den Kriegerschrei: KI KI SO SO ASHE LHA GYELO TAK SENG KYUNG DRUK DI YAR KYE ausstoßen oder leise, für sich, das Flehen an die Shambhala-Linie oder Langlebenswünsche für den Sakyong und die Sakyong Wangmo rezitieren. Dafür muss man diese Rezitationen aber erst einmal auswendig kennen. Es ist sehr schön, wenn man so etwas kann. Ich rate euch dringend dazu ein paar zu lernen!
Aber zu recht werdet ihr fragen: „Papi, wovon redest du, wenn du erleuchtete Gesellschaft sagst? Meinst du etwa diese Gruppe von amerikanisierten, etwas verbissenen, humorlosen Spießern, Bürokraten und Egomanen im Shambhala-Zentrum, bei denen man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass sie einem etwas verkaufen wollen?“ Nein, liebe Jungs, die meine ich nicht, aber damit zu tun haben die schon auch. Immer und in jedem Zentrum, auch jetzt in diesem Moment, finden sich unter den Shambhalianern ein paar, die frisch sind, Humor haben und nicht bequem in ihrer Kriegerschaft werden und sich immer wieder dem Abenteuer Shambhala neu stellen wollen. Die Kleingeister und Bürokraten ragen deshalb aus den Gruppen humorvoller und warmherziger KriegerInnen deutlicher heraus, weil sie sich profilieren wollen und Bestätigung und Erfolg brauchen, und es ist doch eigentlich klar, dass man die eher sieht. Aber auch die haben ihre Stärken, und auch die haben den Entschluss gefasst, dem Wohle der Menschheit zu dienen, man muss bei denen nur etwas länger und gründlicher suchen, dann erkennt man es. Ein paar Blöde gibt es überall, und weil sie so blöd sind, wollen sie herausragen, und der unaufmerksame Betrachter sieht dann all zu leicht nur diese. Der Weg zur Kriegerschaft ist schwer und herausfordernd, und da ist die Versuchung immer wieder groß, sich hinter alten oder neuen Gewohnheiten zu verstecken. Aber obwohl es Überwindung braucht und Mut: man kann sich immer wieder nackig machen und immer wieder neu ins kalte Wasser der Wirklichkeit springen, darin herumtollen und froh zu sein. Wenn sich dann die Möglichkeit bietet, sich zum Beispiel in einen Frotteemantel von Anerkennung, Bestätigungen, Wichtigtuereien oder einfach auch nur Regeln und Vorschriften zu hüllen, dann erliegt manch einer für eine Weile der Versuchung und sagt sich, später mache ich mich dann wieder nackig, aber jetzt ist es erst einmal wichtiger, dass die Gemeinschaft wächst und Seelen gesammelt werden, und dass ich wichtig und sexy bin.
Als Rudolf Steiner seine erleuchtete Gesellschaft gegründet hat – ich meine die offizielle Gründung der anthroposophischen Gesellschaft (1902) – hat er seine Schüler, also quasi die Mitbegründer der anthroposophischen Gesellschaft, zu aller erst davor gewarnt, in die Falle zu tappen, nach Erfolg für die Gesellschaft und möglichst vielen Mitgliedern zu streben. Ich glaube, weil er auf diese Gefahr von Anfang an hingewiesen hat, tragen die Anthroposophen bis heute bescheiden aber dennoch ziemlich erfolgreich zum Wohle der Menschheit inzwischen fast in der ganzen Welt bei. Toll Rudi!! Große Klasse!!!
Nun stehen hinter der Antroposophie christliche Geheimlehren, die ich zwar mehr und mehr respektiere, nicht zuletzt, weil Rudi sie so gut herüberbringt, aber natürlich ist das nicht wirklich unsere Herzensverbindung. Den geistigen Hintergrund für die Shambhala-Gesellschaft und die Koppsens bilden die buddhistischen Lehren aus Sutras und Tantras, und zu denen sind unsere Verbindungen natürlicher und direkter. Nun könnten wir also einfach fromme Shambhalabürger sein ein bisschen meditieren und ein bisschen studieren und fertig. Nicht schlecht! Wir können aber auch mehr tun als das, und wenn wir uns die Welt so wie sie augenblicklich ist, anschauen, dann packt mich persönlich der Wunsch mehr zu tun und zur Heilung beizutragen. Die Unterstützung der Shambhala-Gesellschaft scheint mir zur Zeit das Beste zu sein, was ich tun kann, und zwar aus verschiedenen Gründen, aber letztlich natürlich wegen meiner irrationalen Herzensverbindung, das heißt aus Liebe und Sehnsucht, und weil die Sakyongs mein Herz berührt haben.
Zum buddhistischen tantrischen Wissen gehört die Einsicht, dass eine Gesellschaft und eine Gemeinschaft ein lokales Zentrum brauchen. Die Antroposophen haben das Goetheanum in Dornach, die Katholiken Rom, die Muslime Mekka und wir haben den Sitz von Shambhala in Nova Scotia, den ich euch gezeigt habe.
Wie die Shambhala-Gesellschaft zum Wohle der Welt wirken wird, das bleibt abzuwarten. Die Antroposophen haben durch die Waldorfschulen unglaublichen Einfluss auf die Welt der Erziehung genommen, ebenso auf den Umgang mit Behinderten, dann in der Architektur, der Ernährung, der Landwirtschaft, der Geldwirtschaft und inzwischen kommen dazu viele tolle Neuerungen im Umgang mit der Natur, zum Beispiel im Bereich von Kläranlagen und so weiter. So könnte ich noch Vieles mehr aufzählen. Wirklich toll! Vernachlässigt wird dort leider die Meditation und die Erforschung des Geistes. Rudolf Steiner hat seinen Anhängern zwar ganz großartige Meditationsanleitungen gegeben, zum Beispiel in dem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“, aber ich habe noch keine Antroposophen getroffen, die das auch wirklich übten, und ich kenne viele! Wir Shambhalianer machen es gerade umgekehrt, wir beschäftigen uns bisher hauptsächlich mit der Meditation, mit unserem Geist, Mitgefühl und Intelligenz. Dann öffnet das Shambhala-Training uns die Augen für die Magie in der Welt, aber viel weiter sind wir noch nicht. Das, was die Shambhala-Gesellschaft der Welt zur Zeit offeriert, und zwar wirklich unvergleichlich gut, das ist der Weg der Meditation. Nirgendwo kann man so klar und einfach und gut die Meditation für den Alltag erlernen wie in den Shambhala Stufen I bis V, und selbstverständlich ist das ein überaus wichtiger und wertvoller Beitrag zur Heilung der Welt. Der Sakyong unternimmt darüber hinaus große Anstrengungen, auch in anderen Bereichen und Nöten der Welt deutlich hilfreich zu werden. Nicht nur auf den Gebieten von Religion, Philosophie und Psychologie sondern auch der Mediation und Organisation wird in Shambhala zunehmend geforscht.
Also haltet die Augen offen! Ihr seid die nächste Generation, die erleuchtetes Gedankengut in ihr Umfeld einbringen und wachsen lassen kann.
Ciao, ciao Bambinos,
Euer plapperwütiger Papi