Bevor ich also nun weitere verrückte Kommentare von mir gebe, sollte ich wohl erst einmal vorsichtig auf die Gefahren von Selbstherrlichkeit, Depression oder auch Einfältigkeit beim Studium dieser spirituellen Lehren und Anweisungen aufmerksam machen. Also: Vorsicht bitte! Zu leicht kann aus unserer Begeisterung für die Erforschung des Sterbens, ein letztendlich selbstzerstörerischer Wahn werden. Wir verstärken unsere Egomauern, anstatt sie zu transzendieren und aufzuschmelzen. Selbst wenn die Mauer wunderschön wird, mit bunten Steinen und Kristallen. Das wäre dann das Gegenteil vom Weg zu Freiheit und Seligkeit und ewigem Leben. Das klingt zwar erst einmal paradox, aber es liegt in der Natur der Sache. Je mehr wir versuchen unsere Ich-Illusion aufzulösen, um so mehr wehrt und verfestigt sie sich noch mehr und noch ausgefeilter und raffinierter. Ebenso neigen wir auch dazu, rücksichtslos und mit allen Mitteln das Weiterleben unseres Körpers zu verteidigen. Zum Beispiel, wenn wir krank werden. Dann blühen unsere Widerstandskräfte erst so richtig auf. Und da ist unsere Ich-Illusion nicht anders. Wir sollten also – zur Sicherheit – erst ein wenig an unserer Großzügigkeit und Gelassenheit und Ruhe arbeiten. Wir sollten erst einmal so etwas wie einen Rahmen, ein Mandala, schaffen und uns also erst einmal locker machen!!
Kurz gesagt: Eine Balance zwischen Bedeutung und Bedeutungslosigkeit suchen.
Heutzutage bietet sich schon vom frühen Morgen an ein unglaublich buntes und vielseitiges Unterhaltungsprogramm an. Es werden so viele neue Filme und Serien gleichzeitig produziert, dass wir uns richtig anstrengen müssen, alles mitzubekommen. Anders als früher, werden wir allerdings natürlich auch an Themen wie Sterben ganz anders herangeführt, wobei ich aber nur sehr selten sehe, dass moderne, gebildete Menschen sich wirklich so verhalten, als wüssten sie, dass sie äußerst sterblich sind. Nur wenige Menschen werden achtzig Jahre alt. Aber dennoch bleibt der eigene Tod nichts, worüber man gerne spricht oder auch nur nachdenkt: Der kommt noch früh genug.
Wenn Menschen früher ihre spirituelle Neigung entdeckten, dann suchten sie einen Lehrer, oder gar Meister, einen Zauberer oder eine Hexe, und dann ging man in die Lehre und ließ sich führen und beraten. Diese Lehrerinnen und Lehrer hielten dann von Anfang an behutsam ein Auge darauf, dass die Lehrlinge sich nicht selber zu sehr im Wege standen und sich, ohne es selbst zu bemerken einmauerten, beschwerten und ganz unnötig unglücklich machten.
Erstaunlicherweise mauern sich gerade die besonders Klugen, schnell Verstehenden, mühelos auswendig Lernenden, mit eben diesen Talenten am erfolgreichsten ein. Ich habe meine eigene religiöse Tradition – die Tradition des Shambhala-Buddhismus um Sakyong Mipham Rinpoche – oft bei großen Konferenzen und Treffen Vertreter der unterschiedlichsten religiösen und spirituellen Traditionen diplomatisch vertreten. Ich habe also die Vertreterinnen der unterschiedlichsten religiösen Richtungen persönlich und oft auch sehr privat kennen gelernt. Und überall gibt es da die Überschlauen, faszinierenden Persönlichkeiten, die sehr viel kennen und wissen, aber so gar nicht frei, glücklich und leuchtend sind? Schlauheit ist eigentlich meistens sogar ein Hindernis auf dem Pfad der Erkenntnis. Einerseits können Intelligenz und Geschick auf dem Weg zur Befreiung natürlich sehr hilfreich sein, man kann schnell Sprachen lernen und komplexe Zusammenhänge leicht überschauen. Oft werden dann aber ausgerechnet diese Qualitäten zum größten Hindernis. Und dabei spielt Eitelkeit noch die geringste Rolle, eher stecken Selbstherrlichkeit oder eben auch Schrecken und Angst und eine innere treibende Kraft, Besessenheit und Geschwindigkeit, dahinter. Innere Raserei? Langsamer Denkende haben mehr Zeit für Links und Rechts, Ruhe und Tiefe, oben und unten.
Die Schnecken sind es hier die das Rennen machen.
Erst einmal haben wir vielleicht verstanden, dass wir alle Begriffe, Erklärungen und Vorstellung auf unseren Forschungsreisen – sei es ins Weltall oder in Zellen, Atome, Zeit, Quantenund so weiter – erst einmal, vielleicht über Jahrtausende, selbst erschaffen haben. Wer immer weiter sucht und forscht, wird auch immer mehr finden und daraus Zusammenhänge erschaffen. Und wenn wir weiter forschen, stoßen wir auch immer wieder auf ungeheuer intelligente Zusammenhänge und Phänomene, unerklärliche Abweichungen, die aber nicht zu leugnen sind und keinen Sinn machen. Denn Sein an sich ist grenzenlos intelligent, weit und tief. Statt aber einfach zu erkennen, wollen wir ergreifen und festhalten. Erkenntnis kann süchtig machen. Wir erfinden immer weiter Namen, Vorstellungen und entdecken Zusammenhänge, wir vergleichen und verbinden. Und dann ist da die Gier: die Versuchungen sind groß, Erkenntnisse für Kommerz und Kriegsmaschinerie auszuschlachten.
Es lacht der Sisyphus. Mir bleibt das Lachen all zu oft im Halse stecken?
Da ist also der Wahn des Wissens, der auf der spirituellen Suche so hinderlich werden kann.
Da ist aber auch der Wahn von Gerechtigkeit. Leute verlieren sich in unglaublichen Regelwerken über Richtig und Falsch. Alles muss bewertet und beurteilt werden.
Und da ist natürlich der Wahn von Gesundheit. In kleinen Gesellschaften, dabei aber mit sehr guter Gesundheitsversorgung, ist zum Beispiel die Angst vor Krebs so beherrschend geworden, dass die Leute jedes Jahr zur Vorsorge gehen – heimlich sogar zweimal? Der Krebswahn?
Da ist der Wahn von Schönheit.
Da ist der Wahn von Sicherheit.
Da ist der Wahn von Eigentum.
Da ist der Wahn von sexueller Befriedigungen und sexuellen Exzessen.
Da gibt es den Wahn von Rauschzuständen, also der köstlichen Einfachheit und Nacktheit entfliehen zu wollen.
Sogar Demut und Verzicht können zum Wahn werden.
Nicht zuletzt können auch Religionen zum Wahn werden.
Andererseits ist es, zumindest theoretisch, ganz einfach, solchen Wahn loszulassen. Die aufmerksame Leserin denkt an dieser Stelle vielleicht – so wie ich jetzt gerade – an den Affen, der seine Hand durch ein kleines Loch in eine Kokosnuss gezwungen hat, umim Inneren die köstliche Beute zu ergreifen. Dadurch, dass die Faust des Affen jetzt aber im Inneren der Kokosnuss um diese Beute geballt ist, kann er sie sie nicht mehr durch das Loch herausziehen. Der Affe steckt fest. Nun bräuchte der Affe die Beute in der Kokosnuss nur einfach loszulassen, dann könnte er seine Hand wieder herausziehen und er wäre wieder frei. Aber der Affe tut es nicht. Er könnte sich also leicht selber aus seiner Gefangenschaft befreien. Dazu müsste er aber erst einmal loslassen. Ebenso leicht ist es theoretisch seine Ich-Mauern zu transzendieren. Aber wir wollen uns nicht einfach selber loslassen und wir wollen Bestätigung nicht so einfach aufgeben. Es braucht also viel Feingefühl, Sanftheit, Gleitmittel, Geduld und geschickte Mittel – gutes Zureden – um ganz allmählich weicher, nachgiebiger und durchlässiger zu werden. Das aber ist auch eine wichtige Voraussetzung für das weitere Studium meiner verrückten Kommentare zum Totenbuch.
Im Grunde geht es nicht darum unseren Wahn zu bekämpfen, sondern eher sogar Freundschaft damit zu schließen. „Wie aber können wir Freundschaft mit unserem Wahn schließen, ohne ihn weiter zu stärken und zu nähren? Wie können wir den Klammeraffen in uns dazu bringen, sich zu entspanne und loszulassen?“
Da gibt es tatsächlich etwas ganz Wundervolles. Es gibt die Übungen von Opfergaben. Die Opferung.
So können wir in winzigen Schritten üben, loszulassen und dabei Leere und Weite mehr und mehr zuzulassen.
Wir opfern die Mandalas von Körper, Rede und Geist. Die Mandalas gestalten wir, indem wir uns Zeit für Details nehmen. Wir wählen also hübsche Schalen und dekorieren darauf frische Früchte und stellen sie auf einen Altar oder Schrein oder einen besonderen Ort, zu einer bestimmten Zeit. Wir kaufen edle Räucherstäbchen, entzünden sie und opfern so Wohlgeruch, feierlich mit einer Verneigung auf unserem Schrein. Wir opfern eine edle Schale mit Tee oder Alkohol und so weiter.
Wir opfern – das bedeutet: wir nehmen uns die Zeit etwas zu geben.
Wir opfern also mit Andacht den Körper, indem wir uns ihm aufmerksam zuwenden. Wir reinigen den Körper und Pflegen unsere Haare. Wir bürsten und zupfen und balsamieren. Dann kleiden wir uns aufmerksam ein. Wir bereiten also die Kleider gründlich vor und ziehen sie dann an. Wir prüfen dabei die sechs Richtungen von oben und unten, links und rechts und hinten und vorne. Vorsicht! Da kann man leicht einmal eine Richtung vergessen!
Dann folgen die Opfer auf der Ebene von Rede. Wir suchen also Texte, Lieder und Zauberformeln und dann rezitieren, lesen oder singen wir. Wir malen ein Bild und lassen dabei der Inspiration freien Lauf. Auch stille Gedanken gehören hierher. Wir sprechen oder denken weitere Gebete, Mantras und heilige Texte.
Und dann gibt es noch die sehr anspruchsvollen Opfer auf der Ebene von Geist:
Meine aufmerksamen sozialisierten Leserinnen werden jetzt denken: „Super, dann spende ich einfach noch mehr für Brot für die Welt oder UNICEF. Dabei fange ich dann sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Auf der einen Seite öffne ich mich und mache mich locker, und auf der anderen Seite haben Hungernde und Leidende in aller Welt auch noch etwas davon.“ Leider funktioniert das so nicht, beziehungsweise die mauerdurchbrechende Wirkung bleibt so nämlich äußerst gering, ja winzig, und kann unter Umständen sogar das Gegenteil bewirken. Wenn wir uns nach solchen Opfern sogar selber noch auf die Schultern klopfen, bleibt überhaupt keine Opferung mehr übrig, sondern es bleibt ein bloßer Geldtransfer.
Es gibt aber eine einfache Übung, die Grundlagen des Opferns einzuüben. Die Übung ist: Das Opfer muss völlig sinnlos sein! Dann wird es eine unglaublich wirkungsvolle Übung. Opfern und loslassen, ganz ohne Bestätigung!
Für den Anfang empfehle ich meinen Schülerinnen immer, mit einer Geldmünze in den Wald zu gehen, und die Münze dann einfach irgendwo im Wald feierlich und aufmerksam weg zu werfen. Ein Akt des sinnlosen Wegwerfens. Und das sollte man ruhig ein paar Wochen lang täglich unternehmen. Nimm dir nach dem Münzopfer etwas Zeit: Schaue in den Wald. Schaue dabei in die Bäume. Lass´ dich verzaubern. Wie fühlst du dich? Und gleich noch eine weitere Münze hinterher! Erspüre den Augenblick. Wie fühlt es sich an? Aber erzähle niemandem davon! Erzähle niemandem von deinen Münzopfern, so dass wirklich keine Bestätigung stattfindet. Das ist sehr wichtig. Das ist sogar das Wichtigste bei dieser Übung! Sobald du jemandem davon erzählt hast, dass du diese Übung machst, hat die Übung von da an für dich die Wirkung fast vollständig verloren. Das wäre schade, aber ist dann natürlich nicht mehr zu ändern!
Opferungen sind fester Bestandteil fast aller religiösen Feiern und Messen, die ich so kenne. Man kann das Opfern auch im großen Stil organisieren. Aber da werden sich immer wieder Teilnehmerinnen finden, die dem als völlig sinnlos geplanten Opfer einen Sinn und Zweck geben wollen. Darum geht es aber bei der Opferung gerade eben nicht. Hinduistinnen und Buddhistinnen werden vielleicht behaupten: „Durch die Opferung verbessere ich mein Karma.“ Das ist schade, denn damit findet sich ja wieder ein Hintertür, dem Opfer einen Sinn zu geben. Das ist zwar gut und schön. Damit bleibt aber dann die befreiende Bewegung gering, und die Zugänge zu Weite und echtem Mitgefühl öffnen sich nur geringfügig. Dabei gibt es hier doch die große und so einfache Chance für mächtige Befreiungsschläge. Es ist theoretisch so einfach?
Opferung ist wie eine Reinigung, aber sie hält nicht lange vor, wir verstauben ganz schnell wieder und immer wieder. Man kann also gar nicht oft genug opfern! Unsere Küche säubern wir auch täglich immer wieder, unser Geist braucht solche Säuberungen mindestens ebenso häufig wie unsere Küche.
In fast jeder Messe und religiösen Zeremonie, und zwar aller religiösen Traditionen, die ich kennen gelernt habe, ist die Opferung ein fester Bestandteil. In allen Religionen bereitet man mit Opferung den Raum, die Kirche, die Moschee, die Umgebung – ein Mandala – für magische Ereignisse vor – ein Akt der Reinigung und Heiligung. Übrigens bleibt die Wirkung der Opferung in Messen und Feierlichkeit groß, weil Opferung ja ein fester Bestandteil jeder Messe ist, und man nicht so leicht auf die Idee kommt, sich dafür selbst auf die Schulter zu klopfen oder irgendeinen Zweck damit zu verbinden.
Atisha – ein bedeutender buddhistischer Meister – lehrte seinen Schülerinnen und Schülern in diesem Zusammenhang die Übung des Nehmen und Gebens. Das ist ein Yoga, eine Meditationsübung, und das geht so:
Man setzt sich an einen friedlichen Ort, zu seiner morgendlichen Meditation, öffnet sich, lässt Weite zu – öffnet sich weiter – und entspannt sich. immer weiter und weiter … Es ist für die Übung besonders wichtig auf die Entspannung zu achten und sich dahin gehend im Laufe des Yoga regelmäßig zu beobachten: „Bin ich noch locker?“ Man kann bei dieser Übung nämlich leicht unmerklich, zunehmend verkrampfen. Zu diesem Yoga gehört also eine gewisse Offenheit, Leichtigkeit und auch Humor. Denn wie ich ja schon erklärt hatte: mit Gewalt gegen sich selbst kann man sein Ego nicht transzendieren. Locker, fröhlich und leicht, das sind die Grundvoraussetzungen. Übrigens sich auch körperlich immer wieder locker zu machen, sich zum Beispiel etwas zu schütteln, gehört dazu.
- So sitzen wir also eine Weile da und entspannen und genießen den Frieden so gut wir können.
- Jetzt denken wir darüber nach, wo gerade schreckliche Dinge auf dieser Welt passieren. Wir stellen uns vor, wie Soldaten gerade im Krieg leiden –wichtig dabei ist es, dass es um einen realen Krieg geht, der sich jetzt gerade ereignet – oder eine Hungernot oder Katastrophe. Und wir lassen die furchtbaren Bilder zu. Wir stellen uns vor, wie es da im Feuerhagel an der Front gerade zugeht. Wir lassen diese Bilder zu, ohne uns zu quälen,. Man muss hier eine Balance finden zwischen möglichst viel zulassen, ohne davon überwältigt zu werden. Das braucht etwas Übung.
- Nun stellen wir uns vor, wie wir mit dem nächsten Einatmen, das Dunkle und Schwarze und Quälende, und die Schmerzen und Leiden – also die Bilder von alle dem Schrecklichen, was da gerade passiert – alles das in uns selbst hineinatmen. Einatmen … Wir nehmen das Dunkle in uns auf. Wir lassen das zu. Wir nehmen das dunkle Karma anderer auf uns, in uns hinein. Das können wir einige Einatmungen lang praktizieren. Wenn man mit dieser Übung beginnt, dann ist es erst einmal schwierig, das richtige Maß zu finden. Wir wollen uns mit dieser Übung nicht selbst quälen, , aber wir wollen doch andererseits das Dunkle und Schmerzhafte möglichst nahe spüren. Das braucht also etwas Übung. Es soll immer etwas technisch bleiben!
- Nachdem wir also nun ein paar Atemzüge lang, Dunkel, Grau. Leid und Schmerz mit dem Einatmen eingeladen haben, strahlen wir jetzt mit jedem Ausatmen Licht und Frieden und Sanftheit aus und senden sie in die Richtung, aus der das Dunkle und Entsetzliche kam. Wir verschenken und teilen mit jedem Ausatmen etwas von unserem guten Karma, von unserer inneren Leuchtkraft.
- Nun ist eine Grundlage für eine lange Übung geschaffen, und wir können jetzt fortfahren, indem wir mit jedem Einatmen Dunkel, Grau und Schmerz in uns einatmen, und dann mit dem nächsten Ausatmen Licht, Frieden und Güte aussenden zum Beispiel in Richtung der Kriegsfront.
- Betone das Ausatmen und das Verströmen von Licht, Liebe, tiefer Freude und Güte.
- Wenn man so zehn Minuten geübt hat, dann sollte man die Übung beenden, indem man zum ersten Schritt zurückkehrt und noch eine Weile in Frieden und dem Zauber der Einfachheit verweilt.
Es handelt sich also um eine Übung, die eng mit unserem Ein- und Ausatmen, mit nehmen und geben verbunden ist. Erst einmal klingt das wahrscheinlich befremdlich, aber wenn man es einige Male versucht hat, dann gewöhnt man sich leicht daran und kann es weiter vertiefen und ganz neue Wirklichkeiten entdecken.
Für Praktizierende des Tibetischen Buddhismus ist das ein vertrauter Yoga. Man nennt die Übung Tonglen, was im Tibetschen soviel wie nehmen und geben bedeutet. Der Grad der Intensität verändert sich im Laufe der Jahre immer wieder. Auch nach Jahrzehnten kann die Übung neue Perspektiven eröffnen. Es sollte da auch keine Routine entstehen. Für meine buddhistischen Freundinnen, Anhängerinnen des tibetischen Buddhismus, ist das ein regelmäßiger Teil der täglichen Übungen geworden. Ein sehr wirkungsvoller Teil. Übrigens hat dieser Yoga auch eine Sicherung, nämlich wenn man übertreibt, dann schläft man ganz einfach ein und träumt herum. Das macht nichts und am nächsten Tag kann man es einfach wieder neu versuchen. Es muss nicht funktionieren, denn wir haben keinen Erfolgsdruck. Tonglen ist wie eine abenteuerliche Reise, auf die man sich regelmäßig begibt. Quält euch nicht damit, denn das ist nicht der Sinn der Übung!
Konkrete Opfergaben, Zeremonien und Gebete, die Übungen von Nehmen und Geben und dann als Drittes die Verbeugung – wozu ich jetzt komme – das sind die Voraussetzungen, die wir für das weitere Studium der verrückten Texte brauchen.
Nun noch ein wenig zur Verbeugung:
Kindly bent to ease us geht wohl auf Jonathan Swift zurück. Ich würde dies so übersetzen: „Mögen wir uns, um unserer eigenen Erleichterung willen, gütlich verneigen“ Kindly bent zu ease us hat sich mir auf Englisch eingeprägt. Oft wenn ich mich verneige, muss ich an diese fünf Wörter denken. In Indien ist es normal sich auf der Straße zu verneigen, wenn man Bekannte trifft, wenn man einen Tempel betritt, zu Beginn und zum Ende eines Gebets. Man entzündet ein Räucherstäbchen, verneigt sich damit vor dem Altar, steckt das Stäbchen in ein Gefäß mit Sand und verneigt sich noch einmal. In manchen christlichen Traditionen macht man einen Knicks und bekreuzigt sich, das ist auch ein Art von Verbeugung. Mit einer Verbeugung drückt man Wertschätzung, Respekt und Liebe und Güte aus.
Wertschätzung.
Mit einer Verbeugung gebe ich jeder Begegnung etwas Feierliches.
So jetzt kann ich mich beruhigt wieder den verrückte Kommentare zum Tibetischen Totenbuch widmen. Es war mir wichtig die Bedeutung eines Mandalas – also die Wertschätzung und Gestaltung der Umgebung – als Grundlage für alle spirituellen Übungen zu erklären und dafpr meiner verehrten Leserschaft ein paar Hilfmitte. Zu überreichen. Solche Übungen zur Kultivierung von Mitgefühl und Einsicht in Leerheit sind wichtig. Regelmäßigkeit ist wichtig! Selbst dann, wenn das nur einfach bedeutet, schnell noch ein paar Euros im Wald zu verplempern. Oder sich einfach grundlos übertrieben feierlich zu verneigen.
Zum Abschluss dieses Kommentars ein klassisches Gebet:
Mögen alle Wesen glücklich sein!
Mögen alle Wesen frei sein von Leiden!
Mögen alle Wesen die Freude erfahren, frei zu sein von Leiden.
Mögen alle Wesen tiefgründige, strahlende Herrlichkeit erlangen.