Karma II

Aus den Erläuterungen in Karma I sollte dir die ganze Welt jetzt mit allen ihren Phänomenen wie unermessliche Knäule von Wirkungen und damit neuen Ursachen und Verbindungen erscheinen. Und so ist das möglicherweise auch. Alles was wir wahrnehmen – solange wir uns im Unterscheidungsmodus befinden – sind gigantische Mengen von Zusammenhängen und Verstrickungen.

In einer weitgehend immer noch theistisch (von Ernsthaftigkeit) geprägten Gesellschaft, sei mir um Missverständnisse zu vermeiden der Hinweis darauf erlaubt, dass es keinen Teufel gibt. Die Ursprünge für solche theistischen Ideen sind wohl eher Ängste. Tatsächlich geht ursprünglich Alles von Weite, Gutheit und blendendem Strahlen aus. Das Problem ist für manche Menschen vielleicht das „Blendende“ das Unbegreifliche, das Nicht Ergreifen Können, die Bodenlosikeit, das die Angst zu etwas Entsetzlichem werden läßt.

Wenn nun heilige Krieger (Krieger unter Anderem wegen der Furchtlosigkeit) diese Knäule von Verwirrungen und Hektik durchschaut haben, dann lehnen sie sich immer weiter zurück und schauen den Verstrickungen zutiefst mitfühlend, verletzlich und offen zu. „Wie kann man helfen?“ Und zwar: Wie kann man helfen aus der Leerheit von Grundlegender Gutheit heraus. Immer wenn Karma Knäule durchschaut werden, dann verlieren sie an Intensität und lösen sich sogar massenweise einfach auf. Sie werden transzendiert. Sogar „wichtige Dinge und Umstände“ werden bedeutungslos.

Wenn also zum Beispiel der Dalai Lama nach Wuppertal kommt, dann transzendiert er dadurch – einfach weil er – der Heilige – nur in Raum und Zeit in Wuppertal anwesend ist und in seinem Hotelzimmer sitzt – Unmengen von karmischen Knäulen. Gerade weil der Dalai Lama so berühmt ist, schauen viele Leute hin und verbrennen sich die Finger an ihm, also im positiven Sinne: Karmische Knäule verbrennen. Und das kann man – wenn man offen dafür ist – deutlich spüren. PuffPaff! Ernüchterung und Leichtigkeit. Und das geschieht von alleine, ganz ohne Anstrengung. Ich habe das persönlich schon sehr oft erlebt, wie sogar extrem Besessene – insbesondere von sich selbst besessene – Leute überraschend mühelos loslassen konnten. Je extremer Leute von sich und ihrem Karma besessen sind, um so deutlicher können andere sehen, wenn ihnen Alles aus den Fugen gerät. Leute sind plötzlich von einem Moment zum Anderen selig und strahlen, lachen oder weinen einfach los.

Karma hält zusammen. Karma verdichtet. Karma schafft Enge. Karma treibt an.

Die Ketten von karmischen Folgen funktionieren also normalerweise unbeirrbar und sie spinnen immer weiter, aber bei Berührungen mit der grellen Helligkeit von Grundlegender Gutheit lösen sich massenhaft Knäule einfach auf, wobei Zeit, Raum und Wirklichkeit – soweit wir daran glauben – große Rollen spielen.

Viele Künstlerinnen schaffen es beeindruckend und magisch mit dem Wahnsinn der bunten und faszinierenden karmischen Welten zu tanzen und zu turteln. Das ist oft ästhetisch und beeindruckend und tief berührend, oft schön und manchmal auch Karma entwirrend. Aber einige mächtige Karma Entwirrer und Neutralisierer wirken unmerklich, einfacher und in die Tiefen. Das ist natürlich auch ernüchternd. Es gibt kaum ego-lose Kunst in den Museen da draußen, aber in den Klöstern und Meditationszentren da gibt es so etwas häufig. Leider sind große Teile der lebendigen, dynamischen Welten – sogar den Bühnen von Schönheiten und Zauber – im Griff von Egomanen, und zwar eben nicht nur die Kriege und das Entsetzen sondern auch die Künste und Kreativwelten. Selbst romantische Liebe weckt in diesen Tagen ungeheuer schnell Angst und erlischt dann sehr schnell am Besitzergreifen.

Aber wir sollten vorsichtig sein, dass wir das Ego nicht zum Teufel erklären, denn das verdichtet die EgoTäuschungen sogar eher noch weiter, anstatt ihr die Möglichkeit zu gewähren immer transparenter zu werden und sich allmählich sogar – vielleicht sogar aus sich selbst heraus – ganz aufzulösen. Wir brauchen keine Verteufelung! Verteufelung kann aber schaden.

Euer Winfried der Quijote