Guten Morgen liebe Leute,
ich denke gerade daran, wie ich mit 22 Jahren im Himalaja herumgekrakselt bin. Ich hatte nur solche Ledersandalen mit einem Riemen zwischen zwei der Zehen. Unten drunter waren alte Autoreifen verklebt, damit sie länger hielten. An den Füßen trug ich Socken. Diese Socken waren allerdings fantastisch, geradezu unzerstörbar! Ich glaube die hatte mein großer Bruder einmal für den Wintersport bekommen. Die waren dick, nicht sonderlich elastisch und marineblau.
Eines Morgens in Dharamsala entschied ich mich für eine Wanderung in die Berge. Das Wetter ist dort unberechenbar und gleich zu Anfang wurde ich von Regen überrascht und musste mich den halben Vormittag bei Tibetern in deren Berghütte unterstellen. Ich spielte mit den Kinder und trank Tee bis die Sonne wieder kam und ich weiter bergauf wanderte.
„Schau ´mal, da gleich da oben ist ein Gipfel, von dem aus werde ich einen weiten Blick bekommen.“ Ich kletterte also an diese Stelle, weiter hoch zu diesem „Gipfel“. Aber das war gar kein Gipfel sondern nur eben eine Stelle die weit vorstand und so groß war, dass sie die Berge dahinter verdeckt hatte. Aber von dort aus sah ich den wirklichen Gipfel und kletterte erregt weiter hoch, ohne auf meine Kraftreserven zu achten. Aber auch das war wieder nur ein großer Vorsprung, der alles Andere verdeckt hatte. Ich will die Geschichte nicht zu lange erzählen, aber es ging immer so weiter. Ich kam immer mehr, Vorsprung für Vorsprung dem Gipfel näher, wurde immer begieriger den Gipfel zu erklimmen und dann wurde ich immer wieder enttäuscht. Nun kann sich eigentlich niemand vorstellen, wie schlecht ich ausgerüstet war. Ich war ungefähr so gekleidet, wie jemand in Indien, der ´mal gerade was kaufen geht. So hing ich inzwischen hoch im Himalaja. Aber ich konnte einfach nicht loslassen. Ich machte nur ganz kurze Pausen, wenn ich zu erschöpft war. Allmählich wurde ich mir schon der Gefahr bewusst, in der ich steckte, aber wer will schon 100 Meter vor dem Gipfel umkehren? In mir tobte ein Kampf. Ich sah die Gefahr und es wurde immer dringender um zukehren, denn es wurde schon dunkel und ich hatte ja keine Ahnung wo ich war. Aber das Gefühl, dass da direkt vor meiner Nase der Gipfel sei, trieb mich immer wieder erneut höher und höher.
Endlich siegte schließlich die Vernunft oder die Angst oder was auch immer es war. Ich drehte mich um und begann herunter zu laufen. Den Weg zu finden war ganz einfach, denn ich musste nur immer weiter nach unten. Ich flog schon fast. Der Zehriemen an einem Schuh riss und ich lief auf dem rechten Fuß nur auf dem SuperStrumpf weiter, der mir übrigens danach noch 20 Jahre gedient hat, ohne merklich dünner zu werden. Ich rannte also, und bergab ergab das ein Gefühl von Fliegen. Die Füße berührten kaum mehr den Boden. Ich hatte plötzlich eine unglaubliche Kraft und Energie. Es war wirklich, als hätte ich eine Pille geschluckt oder würde auf Coca-Blättern kauen. Mit zauberhafter Leichtigkeit flog ich zurück. Schließlich war da eine ganz breite Waldschneise und dann sah ich auch schon meinen Ausgangsort Dharamsala.
Ich könnte die Geschichte nicht erzählen, wenn sie nicht glücklich ausgegangen wäre. Aber ich musste meinen Schutzengeln wieder einmal danken!
Während ich so hochstieg im Gipfelwahn, war mir sehr klar, wie Gleichnishaft das war, was da mit mir geschah. Viele Menschen verbringen ihr Leben mit dem Versuch einen Gipfel zu erklimmen, der sich immer wenn er fast erreicht ist auflöst und den Blick für einen höheren Gipfel öffent. Andererseits sind die, die ihr ganzes Leben einfach verschlafen mit gemütlichen Unterhaltungen und Gewohnheiten und keine Wagnisse eingehen wahrscheinlich in der Überzahl, und das ist ja auch nicht so prikelnd….
ciao ciao
Euern Winni Quijote