Der Anstoß für die Karmawirbel war, eine bedeutungsvolle Frage nach Karma? Seitdem versuche ich mir vorzustellen, was damit gemeint sein könnte und mir fallen immer wieder neue Perspektiven zu diesem Thema ein? Das Wort Karma taucht in den Medien ja meistens im Zusammenhang mit dem Spiel der Geschicke auf, mit Schicksal oder auch oft damit, was über den Tod des Körpers hinaus in Sachen Nachtod und Wiedergeburt so passieren könnte. Und Karma klingt heutzutage auch irgendwie vernünftiger, wissenschaftlicher als „Gott“ oder „Götter“ oder „göttlicher Plan“ oder „absurd“ oder „Grundlegende Gutheit“ oder „das Böse“ oder „Sündenfall.“
Ich möchte wiederholen, dass Karma ursprünglich auf Sanskrit – der alten, ausgetüftelten und tiefsinnigen Sprache der weisen Inder oder sogar Perser – eigentlich Tat, Handlung, Wirkung und Gegenwirkung bedeutet. Aber was soll das heißen? Wo kommt das her? Und ist das Gegenteil: Ruhe? Bewegungslosigkeit? Stille? Seligkeit?
Mir fallen gerade drei große Stränge im Erforschen vom Sein, vom Sinn und vom Leben ein:
- Die Einen gehen davon aus, dass die Ursache und der Anfang von Allem Materie war. Nach dieser Betrachtungsweise flog da also unheimlich viel Zeug einfach so durch ein Weltall. Zeit gab es wahrscheinlich auch noch nicht. Aber in diesem Weltbild gab es schon Bewegung. Das Zeug bewegte sich, auch wenn ein Urknall inzwischen wohl von allen Wissenschaftlern ausgeschlossen wird. Irgendwann kam es dann in einem solchen materiellen Universum ganz zufällig zu der Frage: „Was ist hier eigentlich los?“ oder „Huch?“ Und damit war Bewusstsein geboren. Das war der Anfang von Bewusstsein. Oder vielleicht: „Was bin ich?“ oder vielleicht: „Was ist das? Ich nenne es jetzt erst einmal:Gefühl?“ oder vielleicht: „Sein! Das ist es! Ich bin!“ Also das Entscheidende hier bei Strang Eins ist, dass Bewusstsein ein Zufallsprodukt von Materie war, und nachdem dieses Bewusstsein aber nun einmal angefangen hatte, war es infolge von „Karma“ nicht mehr aufzuhalten oder rückgängig zu machen. Es wuchert bis heute immer weiter. Vielleicht kann man durch Meditation – also ruhigem, leuchtendem Verweilen – lernen den Wucherprozess etwas distanzierter zu beobachten und möglicherweise sogar lernen ihn zu regulieren.
- Eine andere Sichtweise ist, dass Materie ein Zufallsprodukt von Bewusstsein ist. Also umgekehrt. Da ist also Bewusstsein – ursprünglich sinnlos – weit und offen und einfach so. Aber dann wurde irgendwo zufällig etwas begriffen. Es entstand Begreifen und Fragen: „Was ist das?“ Es entstanden die ersten Wörter und Logiken und damit erst einmal ein formloser Bereich, aber im Zuge der Wucherung und Erweiterung geschah Ergreifen und es verhärtete sich allmählich Materie – das Produkt des Ergreifens – und darüber entstanden dann so allmählich auch Form und Gestalt, in dem Maße in dem danach gesucht wurde. Es geschah sozusagen begreifen und Versuche zu ergreifen, zuerst mit Wörtern dann Logik und dann Erklärungen und mehr und mehr nimmt das Begriffene die Form von Materie an. Es wird also immer konkreter und massiver und härter und berauscht sich an sich selbst und wuchert. Dahinter steckt sicherlich Ergreifen wollen, Verfestigen wollen, Lust auf Klarheit und Deutlichkeit aber eben auch Angst. Eine der spannendsten Fragen, auf die mir wirklich nichts einfällt: Angst? Aber diese Angst ist eine der treibenden Kräfte. Sicher scheint mir aber, dass Angst sozusagen eine treibende Kraft von Karma ist. Möglicherweise rührt auch diese Lust auf Klarheit ursprünglich aus dieser ursprünglichen Angst?
- Eine andere Sichtweise wäre, dass dem Sein, dem Sinn und dem Leben so etwas wie ein göttlicher Plan zugrunde liegt. Oder eben glückliche formlose Göttinnen und Götter und Alles war gut, bis irgend eine der Göttinnen Angst bekam und andere damit ansteckte. Daraus folgten dann erste Formen von Gier, Eifersucht, weiter Hass und das brachte Verdunkelung und Dummheit. Die Göttinnen und Götter, die sich nicht von der Angst anstecken ließen wurden Kriegerinnen und Krieger, also sie entdeckten Furchtlosigkeit, und die anderen zankten, nahmen diverse Formen an, wurden immer massiver, verbissener und ergreifender und erschufen damit die Welt in der wir gerade leben und fühlen. Aber die eigentliche Natur auch dieser Feiglinge ist Freude oder nennen wir es einfach Grundlegende Gutheit. So ähnlich ist ja auch das Narrativ von den Göttinnen und Halbgöttern die zankten sich, verwilderten aus Langeweile mehr und mehr, vergröberten sich über diverse Orgien zu Halbgöttern und schließlich vergröberten die sich dann noch weiter zu ganz normalen Menschen. Wir wären also alle gefallene Engel? Ich kann das nicht ausschließen!
In allen drei Sichtweisen ist Karma – also jede Handlung hat eine Folge aber nicht nur im Körperlichen sondern auch im Kommunikativen und auf allen energetischen Ebenen. Nenne wir die treibende Kraft oder diese unabänderliche Gesetzmäßigkeit Karma. Also: Jede Bewegung, jede Handlung oder Gedanke oder Sinnlichkeit löst eine Gegenbewegung aus oder stößt auf andere Bewegungen, Gedanken oder Geschehnissen, und so entstehen immer mehr Bewegungen und Gegenbewegung, Wirbel, Kräfte und Gegenkräfte, Wünsche, Hoffnungen und Eitelkeiten und so entstehen über Milliarden von Jahren ganze Universen von Ebenen, Kräften und Gegenständen.
Und theoretisch könnte sich wirklich im Weltall plötzlich und zufällig – einfach so – ein Bügeleisen manifestieren und an den verblüfft guckenden Astronauten vorbei auf die Erde zu sausen. Aber das ist dann extrem weit her geholt, während man die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklungen von Gegenständen und Wesen eigentlich ganz gut zu kennen glaubt. Die Astronauten würde das Erlebte – aus Angst vor dem Unbegreiflichen – auch sicher sofort versuchen einzuordnen, z.B.: „Typisch! Das müssen die Russen verloren haben!“
Nun ist es aber auch so, dass der Wunsch nach Stabilität und Verständlichkeit oder ganz einfach Angst, daran hindern, ein plötzlich sich manifestierendes Bügeleisen – einfach so – für möglich zu halten. Im Laufe des Heranwachsens entwickelt sich in jedem Menschen ein Weltbild und das gibt Sicherheit und Geborgenheit, Schafft Raum für Schläfrigkeit. Die regelmäßigen Blitze von Seligkeit, Gutheit, Traurigkeit und Weite werden genossen und schnell losgelassen, denn wir feigen Alleswisser, müssten uns sonst ja immer wieder aufrichten in eine solche grelle, kühle Ungeborgenheit. Wir müssten mutige, furchtlose, tapfere Kriegerinnen werden.
Alle glauben zur Zeit zu wissen, was möglich ist. Heutzutage glaubt schon ein zehnjähriges Mädchen erklären zu können, was es gibt und was es nicht gibt, was geht und was nicht geht, weil sie das ihren Eltern abgucken. Aus Angst vor Bodenlosigkeit, passen wir dann unbewusst Alles was eigentlich keinen Sinn ergibt – zum Beispiel ein Bügeleisen, das sich einfach so manifestiert – unserem Weltbild an, also: „Ein Bügeleisen kann sich nicht einfach so manifestieren! Basta!!“ „Das geht nicht! Das verstehe ich nicht, also kann es nicht sein! Also waren es doch die Russen!“
Soviel zu Karma VI
Euer Winfried der Quijote