Guten Morgen liebe Leute!
In den Siebzigern hieß der Haupttreff der Hippies in Kabul: Peace-Hotel. Es hatte ein paar Zimmer, weniger als ein Dutzend, aber in den meisten wohnte mehrere Leute gemeinsam, oft nach Nationalitäten: die Italiener, deutsche Mädchen, Briten etc. Timothy Leary war damals gerade zwei Monate vorher vom afghanischen König an die USA verkauft worden, aber er war trotzdem immer und überall dabei und wir machten ständig Witze darüber, dass es einfach nicht möglich war, nicht über ihn zu reden. Die Lehmbauten in Kabul hatten meist zwei Stockwerke und waren auch oben drauf einfach flach und nichts Anderes als Lehm, denn es regnete ja höchstens einmal im Jahr, und das war dann ein Grund zum Tanzen und niemand scherte sich dann darum ob Wasser durchsickerte. Den Mittelpunkt bildeten die Innenhöfe, oft mit Palisaden. Bei den hohen Temperaturen war es sogar im Schatten so heiß, dass man sich langsam und leicht bewegte, und mit dem bisschen Wind den man dabei erzeugte, spielte und kokettierte. Auf Sesseln, Coachen und Stühlen saßen unter Anderen die sechzehnjährige Ursula, sie war einfach von zuhause abgehauen und fragte sich, ob es überhaupt jemand bemerkt hatte, und Jaqueline war auch nicht viel älter, aber bedeutend durchtriebener. Der große Serge, höchstens 19, sagte nie ein Wort, und schaute sich mit seinen anziehenden, sanften, braunen Augen um, aus tiefen Augenhöhlen heraus und es war deutlich, dass er begonnen hatte Opium zu essen. Das sah man immer schon nach zwei Tagen. Zweimal oder dreimal am Tag ein linsengroßes Stück, das genügte um keinen Appetit mehr zu haben und volle, warme Opium Erotik auszustrahlen. Da saßen ein paar deutsche Jungs, die in einem VW-Bus erst seit einer Wochen unterwegs waren, und jetzt vergeblich versuchten zu genießen und cool zu bleiben. Sie hatten einfach noch zu viel Speed, noch europäisches Timing. Es brauchte Monate um das los zu werden! Da lag Fuzzy, ganz in Schwarz auf seinem Schaf-fell, ein Junkie aus Hamburg, polizeilich gesucht, vom Freigang nicht zurück gekehrt, einmal mehr kurz davor zu sterben, mit weniger als einem Prozent Energiereserven, Major Tom zerknirscht, aber da war auch schon das nächste amerikanische Kibbuz-Mädchen, Sindy, mit dem Helfersyndrom und hielt ihm den Löffel, vielleicht kriegt die Kleine ihn noch einmal auf die Beine? Und so war es dann auch! Da war ein Künstler Ehepaar, weit über die Dreißig. Er, riesig groß mit Bart, sah aus wie Karl Marx, und Inge ganz klein und zierlich. Wie die es wohl trieben? Die Engländer blieben etwas reserviert und waren der Meinung niemand verstünde, was sie so komisch fänden. Fast alle trugen bunte afghanische Hosen – nur Fuzzy lag da in seiner dicken, schwarzen Wintercordhose – und einfarbige Hemden, an denen ein Latz verspielt zu einer Seite rüber fiel und billige Sandalen. Viel Rot, viel Violett und Grün. Unterwäsche trug wahrscheinlich niemand.
Wir waren Familie. Niemand rauchte sein Chillum für sich alleine, sondern man rauchte an und dann ließ man die Steintüte wandern. Immer zusammen mit einem bunten Tuchstreifen, den man ein paar Mal gefaltet wie ein Filter um das Mundstück hielt um Teer und Siff abzuhalten, jeder neue Benutzer zog das Tuch einfach 5 Zentimeter weiter, bis eine saubere Stelle kam, faltete es ein paar Mal und dann wurde tief inhaliert. Diese Streifen waren einige Meter lang und so wie die Chillums ihre Kreise durch den Hof zogen, so taten es die bunten Bänder kreuz und quer, die jedem Chillum nachfolgten, durch den Innenhof. Ein gemütliches, buntes Bild.
Der Chef war ein dreißigjähriger, moderner, aufrechter, immer lächelnder Ahmed. Väterlich überheblich. Sein Haarschnitt war westlich lang, ein bisschen zu sehr Disko. Er trug keinen Turban. Er war der Boss hier. Maria stand auf und ging Richtung Ausgang. Eine sexy Italienerin, die sich aushalten ließ. Sie reiste ganz ohne Geld, denn sie brauchte keins, denn wir lagen ihr alle zu Füßen. Sie hatte wunderschöne, prickelnde Augen und eine kräftige, volle Figur von unendlichem Ebenmaß, eine Amazone mit straffen Brüsten wie Pampelmusen und großen, kräftigen Knospen darauf, die sich deutlich abzeichneten. Ahmed baute sich vor ihr auf, denn sie hatte Mietrückstände. Mit italienischer Koketterie, keine Frau irgend einer anderen Nationalität könnte so direkt mit ihren Reizen spielen, und dabei so unschuldig die Wirkung genießen. Ich meine das so! Unschuldig, vergnügt und amüsiert, ihre Macht genießen. Sie war viel kleiner als der Chef und so wippte sie ihre Brüste gegen seinen Bauch. Sie tanzten darauf wie Elfen. Herrlich! Er verzog aber keine Miene, sein Lächeln wurde etwas kälter und er setzte ihr ungerührt und geschäftsmäßig einen Termin für die ausstehenden Zahlungen. Sie nahm ihn nicht ganz ernst, nickte, kicherte, warf die dichten, langen Haare zurück und verließ selbstbewusst und unbeschwert die Bühne. Ich träumte ihr nach und schaute dann zu Ahmed rüber, der sich gerade in Richtung Ausgang drehte. Sein Gesicht hatte sich verdunkelt, das Lächeln wich abgrundtiefer Verachtung, ja Hass, und er spuckte hinter Maria her. Er spuckte wirklich Spucke! Ich löffelte cool weiter an meinem Porridge mit Banane, aber innerlich war ich zutiefst erschrocken, erschüttert, getroffen und verwirrt. Das hier war bitterer Ernst!
Ciao ciao
Euer Winni Quijote